Reisetagebuch Herbst 1997

Samstag, 20. 9. 1997

Heute fahre ich zum zweiten Mal in diesem Jahr nach Norden. Aber diese Reise hat noch eine kurze Vorgeschichte:

Gestern:

Ich schaffte es tatsächlich um 14:00 Uhr aus der Firma zu flüchten, da ich das Auto packen wollte um heute rechtzeitig starten zu können. Während der Frühstückspause kam aber schon die Idee auf, daß es ja in dieser Jahreszeit möglicherweise schon einen Wintereinbruch in Norwegen geben könnte und dann Winterreifen recht praktisch wären. Also fuhr ich zum Reifendienst mit meinen hervorragenden, erst ca. fünf bis sechs Jahre alten, Winterreifen um sie montieren zu lassen. Doch dann kam die Ernüchterung: "Diese Reifen haben schon kein Profil mehr bevor Sie in Norwegen angekommen sind!". Hmmm... Nunja. Es gibt also vier neue Reifen.
Dann untersuchte ich, wieder zuhause angekommen, warum der Motorraum so ölig  ist. Der Schlauch der Kurbelgehäuseentlüftung war abgerissen, irgendein Plastikteil ist abgebrochen. Es stellte sich heraus, daß es ein Gardena-Anschluß war mit dem diese Leitung am Luftfilter angeschlossen war, eine Konstruktion des  Vorbesitzers, die bis heute gehalten hat. Was tun? Bei den Gartengeräten findet sich ein neuer Gardenaanschluß...
Doch wo sind die alten Teile hin? Die können nur in der Leitung zum Turbolader liegen! Wenn die da rein kommen ist die Reise wohl zu Ende!
Bernd, ein Vereinskollege und Nachbar,  baute mir noch schnell die Leitung auseinander und wieder zusammen. Alles in Ordnung. Es kann losgehen.
Nach diesem Nachmittag hatte ich einfach keine Lust mehr zu packen und zog es vor mich  beim Clubabend  unseres DARC-Ortsverbands (Amateurfunkclub) bei einem Abendessen und ein paar Bier zu erholen.
Bei dieser Gelegenheit  kaufe ich noch einen gebrauchten, steinalten 286er-Laptop, den ich in den Urlaub mitnehmen will um ihn als Terminal für meine Amateurfunkstation, die ich natürlich einpacken werde, zu benutzen.

Heute:

Einpacken. Start gegen 13:30, Kilometerstand 277726. Für diese Reise habe ich keinen Mitfahrer gefunden, also bin ich alleine unterwegs.
Das Wetter ist super. Richtig warm.
Leider ist vor Hamburg eine Vollsperrung auf der Autobahn, die mich ca. eine Stunde kostet.
Um 21:00 Uhr komme ich in Nortorf, bei Neumünster, auf dem Campingplatz "Ritzebüttel" an. Dieser Platz ist bei mir besonders beliebt, denn er gehört zu einem Hotel mit einem guten Restaurant. Dort gibt es ein ordentliches Steak mit allem was so dazugehört.

(573 km)

Sonntag, 21.9.1997

Weiter geht es auf der gewohnten Strecke (Autobahn) über Flensburg durch Dänemark nach Hirtshals am Skagerak.
Das Wetter ist zunächst bedeckt, dann klart es auf. In Hirtshals scheint die Sonne, blauer Himmel und richtig viel Wind. Dies hält mich jedoch nicht von einem Gang durch den Ort und besonders in den Hafen ab. Das Meer hat hohe Wellen und viel Sand fliegt in der Gegend rum. Ein Windmesser im Hafen zeigt Windstärke 6 bis 7  an. Es gibt auf jeden Fall noch ein paar Fotos.
 

Skagerak

Hirtshals Hafen

Der Campingplatz in Hirtshals ist bereits geschlossen, aber bei diesem Wind wäre es dort sowieso etwas ungemütlich, da er zum Meer hin offen ist. Ich fahre also auf den Campingplatz im benachbarten Tornby. Er liegt nicht direkt am Meer und ist durch Büsche und Hecken geschützt.
Jetzt gibt es "Ham and Eggs", Tuborg und Elephant-Øl. (Dänisches Starkbier).

(450 km)

Campingplatz Tornby bei Hirtshals
 

Montag, 22.9.1997

Der Morgen beginnt wieder mit Superwetter! Blauer Himmel, Sonne und fast kein Wind mehr. Gute Chancen für eine ruhige Fährüberfahrt nach Norwegen!
Also los zum Fährhafen in Hirtshals. Auch hier sieht es harmloser aus als gestern. Nur noch kleine Wellen, fast kein Wind.
Um 13:45 Uhr geht es los mit der Color-Line-Fähre "Christian IV" nach Kristiansand. Das Skagerak ist glatt wie ein Brett. Auch das skandinavische Buffet an Bord ist wieder sehr gut und beschäftigt mich mindestens eineinhalb Stunden.

Fähre Christian IV

Nach der Ankunft in Kristiansand fahre ich die nun schon gewohnte Strecke in Richtung Evje auf den Campingplatz am südlichen Ende von Hornnes (kurz vor Evje). Dies ist einer meiner Lieblingscampingplätze!  Er liegt in einem kleinen Wald am Fluß "Otra", der sich hier zu einem kleinen See mit einer Insel aufweitet. Es gibt Sandstrand und wenn es warm ist kann man sogar schwimmen gehen, jedenfalls wenn man Wasser mit so ca. 16 bis 18°C mag.
Der Platz ist eigentlich schon seit etwa einer Woche geschlossen. Ein Dauercamper packt gerade seinen Wohnwagen zusammen um damit in die Türkei zu fahren. Ich kratze meine norwegischen Sprachkenntnisse zusammen und frage ihn nach dem Platzwart. Er sagt mir, daß er sowieso nochmal zu ihm fahren will und so komme ich gerade mit. Der Campingplatzbesitzer kennt mich von einigen früheren Aufenthalten und sagt mir, ich solle mir einen schönen Platz suchen, die Waschhütte wäre auch noch einsatzbereit.
Diesen Campingplatz habe ich  für mich ganz alleine. Es ist total ruhig hier. Die Abendsonne, die mir auf der Fahrt hierher traumhaftes Licht und  tolle Farben geliefert hat geht langsam unter und es wird ganz finstere Nacht.

(65 km)

Dienstag, 23.9.1997

Nach dem Frühstück überlege ich mir was ich in den nächsten Tagen machen möchte. Während der diesjährigen Sommerreise im Juli fuhren  Brigitte und Werner (wir waren zu viert in zwei Autos unterwegs) zwei Tage mit  Hurtigrutenschiffen von Bergen nach Ålesund und wieder zurück. Brigitte hat schon vorher Hurtigrutenreisen unternommen und Werner war auch sofort begeistert. Seit wir sie vom Schiff abgeholt haben beschäftigt mich der Gedanke auch mit einem Hurtigrutenschiff fahren zu wollen. Die Hurtigrute ist eine Postschifflinie, die seit über 100 Jahren täglich zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter befahren wird. Sie beginnt in Bergen und zieht sich über 34 Häfen entlang der Küste bis nach Kirkenes an der russischen Grenze. Die komplette Reise Bergen-Kirkenes-Bergen dauert elf Tage, man kann aber auch beliebige Teilstrecken buchen. Ein Prospekt mit Fahrplan habe ich dabei.

Ich denke noch einmal kurz darüber nach und greife zum Mobiltelefon. Ein Anruf auf der "M/S Lofoten" genügt: "Ja, es ist eine Kabine von Bergen nach Bodø frei".
Die Kabine ist für Donnerstag reserviert, am Sonntag werde ich in Bodø, nördlich des Polarkreises, ankommen.  Die "M/S-Lofoten" ist ein traditionelles Hurtigrutenschiff. Von den elf Schiffen ist sie das zweitälteste, gebaut 1964. Es ist mir besonders wichtig auf einem traditionellen Schiff zu fahren.

Doch wie komme ich wieder zurück? Ein Anruf bei "Braathens" genügt und der Rückflug von Bodø nach Bergen ist gebucht. Allerdings erst am Montag, das ist erheblich billiger als am Sonntag. Es gibt also noch eine Übernachtung in Bodø.

Also auf nach Bergen! Es geht entlang der Otra durch das Setesdal nach Norden. Zuerst durch das Hovdenfjell (Fjell = Gebirge) und dann weiter nach Haukeligrend. Die Straße führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft mit vielen Seen, Bächen, Felsen und Wäldern. Von hier aus fahre ich durch das Haukelifjell, eine ganz tolle Gebirgslandschaft, durch die ich schon oft gefahren bin.  Die Farben sind gelb und braun, es sieht herbstlich aus, andere Farben als im Sommer vor ein paar Wochen.

Dummerweise sehe ich ein paar Ölspritzer an der Heckklappe und bei einem Halt tropft auch etwas Öl auf die Straße. Das mag ich eigentlich überhaupt nicht. Ist der O-Ring am Ölpeilstab defekt oder bahnt sich ein gtrößeres Problem an meinem 15 Jahre alten VW-Bus an? An der nächsten Tankstelle in Røldal kaufe ich vorsorglich zwei Liter Öl.

Ich übernachte auf dem Campingplatz in Røldal neben der Stabkirche. Dieser Platz ist auch einer meiner Lieblingscampingplätze. Der Ort liegt in einem Tal zwischen dem Haukelifjell und dem Røldalsfjell.  Nachdem ich den letzten Platz für mich alleine hatte ist dieser hier wohl fast überfüllt: Es gibt außer mir noch einen weiteren Camper! Wir unterhalten uns eine Weile in einem interessanten Norwegisch/Englisch-Gemisch. Er kommt aus Vardø,  und ist die ganze Strecke hierher in nur zwei Tagen gefahren. Dies ist eine stolze Leistung, denn Vardø ist nicht nur der östlichste Ort Norwegens, sondern liegt auch noch in Nordnorwegen, fast an der russischen Grenze.

238  km

Setesdal

Mittwoch, 24.9.1997

Leider hat sich das Wetter geändert. Gestern war es noch sonnig, ich konnte sogar im Freien Mittagessen. Heute bin ich um 7:30 Uhr wach geworden, da sah es noch ganz gut aus, aber als ich aus der Waschhütte kam war alles neblig. Aber es regnet noch nicht und jetzt wird gefrühstückt.
Nach dem Frühstück folgt die übliche Campingprozedur: Geschirr spülen, Auto aufräumen, Wassertank auffüllen, Abwasser ausleeren.
Dann fahre ich weiter in das nächste Gebirge, das Røldalsfjellet. Kaum habe ich das Tal verlassen erscheint wieder die Sonne und der Himmel ist ganz toll blau. Unten im Tal ist alles weiß. Da kann man natürlich nicht die Abkürzung durch den Tunnel fahren, sondern nimmt die alte Strecke über den Berg. Es lohnt sich! Die Gegend ist traumhaft! Mindestens so eindrucksvoll wie vor ein paar Wochen im Juli. Das Eis, das im Juli die Seen noch teilweise bedeckte, ist inzwischen geschmolzen. Dann geht es wieder runter, in Richtung Odda. Vorher kommt natürlich noch der Låtefoss (Wasserfall). Er fosst ganz alleine vor sich hin, keiner außer mir ist da der ihn anschaut. Der Kiosk ist geschlossen, der Parkplatz, der im Juli immer total überfüllt ist, ist leer. Die Tourismussaison ist zu Ende.
Ich fahre weiter nach Odda zum Einkaufen und dann entlang des Hardangerfjords nach Kinsarvik. Hier könnte ich mit einer Fähre über den Fjord in Richtung Bergen weiterfahren, die kommt aber erst in einer Stunde und ich habe keine Lust solange zu warten. Entlang des Fjords kann man weiterfahren zur nächsten Fähre in Brimnes. Diese Fähre bringt mich nach Bruravik und weiter geht es durch einen Tunnel nach Voss. Dann weiter auf der E16 in Richtung Bergen und auf der Reichsstraße 580 zum Flughafen Flesland bei Bergen. Hier möchte ich mich über die Parkmöglichkeiten informieren. In Bergen ist parken schwierig . Wenn ich hier parke kostet mich das zwar 60,- NOK pro Tag, das ist nicht ganz billig, aber es macht die Sache einfach, schließlich werde ich hier am nächsten Montag wieder ankommen und wenn ich dann Taxi fahren muß ist das auch nicht gerade billig.
Dann fahre ich wieder zurück nach Lone auf den vom Sommer bekannten Campingplatz. Der Platz ist noch voller als der letzte! Außer mir sind noch zwei Hütten bewohnt. Im Juli war es schwer auf dem recht vollen Platz eine gerade Stellfläche für den Bus zu finden und jetzt kann man sich nicht entscheiden wo man sich hinstellen soll, welches nun wirklich die allerschönste Stelle ist.
Der Abend ist gerade richtig für etwas Amateurfunkbetrieb. Ich baue meine Kurzwellenantenne auf,  packe das Funkgerät, den Pactorcontroller und den steinalten Laptop aus und erzähle der Welt wo ich bin. Für die, die nicht wissen was man mit einem "Pactorcontroller" anfängt:
Man schaltet ihn zwischen einen steinalten Laptop und ein Kurzwellenfunkgerät und kann damit Daten und Texte übertragen und ähnlich wie im Internet Mails verschicken.
Nachdem die Welt nun weiss wo ich bin kann ich mir in Ruhe ein schönes Steak braten, dazu gibt es Rosenkohl und Klöße!
Das Wetter hat sich den ganzen Tag über prima gehalten. Ich bin voll zufrieden.

273 km  (Direkt nach Bergen wären es etwa 230 km gewesen)

Røldal mit Stabkirche im Nebel

Das Tunnel durch das Røldalsfjellet umfährt man am besten...

... auf der alten Bergstraße

Idyllischer Rastplatz

Donnerstag, 25.9.1997

Zunächst ist es heute etwas neblig, aber dann scheint die Sonne. Nach dem Frühstück fahre ich wieder zum Flughafen Bergen/Flesland. Der Bus kommt auf den gestern ausgekundschafteten Parkplatz. Ich packe meine Sachen für die nächsten Tage zusammen und fahre mit dem nächsten "Flybussen" in die Innenstadt von Bergen. Bei der Touristeninformation in Bryggen kann ich mein Gepäck aufbewahren lassen, das vereinfacht den Aufenthalt hier bis heute Abend doch sehr. Aber was kann man nun machen? Das Wetter ist wieder so gut wie im Juli. Die Sonne scheint, das ist hier eher selten, Bergen hat unheimlich viele Regentage. Warum nicht die Stadt von oben betrachten? Mit der Fløibahn, einer Seilbahn auf Schienen, fahre ich auf den Fløien, den Bergener Hausberg, und genieße die Aussicht über die Stadt und das Meer und die Inseln. Doch plötzlich ziehen Wolken auf, es wird kälter und ungemütlich.

Bergen vom Fløien aus betrachtet

Eine Beschäftigung in geschlossenen Räumen wäre angenehmer. Zum Beispiel ein Besuch im  Aquarium. Es wurde inzwischen umgebaut, also lohnt sich wieder einmal ein Besuch. Also wieder runter fahren und etwa eine halbe Stunde durch Bergen laufen. Ich schaue mir ausgiebig die Fische an. Wenn man in Bergen etwas Zeit hat ist der Besuch hier immer lohnend.
Dann laufe ich wieder zurück zur Touristeninformation, hole mein Gepäck ab und bestelle mir ein Taxi. Als ich mich in das Taxi setze und dem Fahrer "Zum Hurtigrutenkai bitte" sage läuft mir ein Prickeln der Begeisterung den Rücken herunter. Die Fahrt geht ein Stück durch die Stadt und dann in eine Hafenanlage. Wir fahren an ein paar Lagerhäusern vorbei und dort liegt sie: Die "M/S Lofoten".
Es ist jetzt 18:00 Uhr  also reichlich früh. Ich melde mich auf dem Schiff bei der Rezeption an und erhalte die Kabine Nr. 233, unten im Schiff.
Die Kabine sieht recht gemütlich aus. Sie hat zwei Betten übereinader über Eck, einen kleinen Schreibtisch, einen Schrank und noch einen mit Schubladen.
Ein rundes Bullauge gibt es zum Rausgucken und ein kleines Badezimmer mit Dusche und WC. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine Kabine auf einem Schiff und dann auch noch gleich auf diesem. Ich bin richtig aufgeregt.  Was werde ich in diesen Tagen auf der Hurtigrute erleben? Ob ich in der Nacht wohl schlafen kann? Man hört zwar die Maschine recht laut stampfen aber irgendwie werde ich hier schon schlafen können.
Zuerst gehe ich aber in das Restaurant, denn dort gibt es jetzt Abendessen. Es gibt am ersten Abend Buffet. Hmmm... Lecker.
Dann folgt ein Rundgang, ich muß ja das Schiff, auf dem ich nun die Zeit bis Sonntag Mittag verbringen will, kennenlernen.
Am Kai ist noch viel los, mit dem Schiffskran werden Güter verladen, sogar vier Autos kann das Schiff auf Deck transportieren, die auch mit dem Kran aufgeladen werden müssen.
Um 22:40 Uhr verlassen wir Bergen. Das Schiff gleitet auf ruhiger See hinaus aus der beleuchteten Stadt in die schwarze Nacht und nimmt Nordkurs.
Ich stehe noch eine Weile neben der Brücke und schaue beim Schiffsteuern zu.
Nach einem Gute-Nacht-Bier verziehe ich mich in meine Kabine und klettere nach diesem erlebnisreichen Tag ins Bett.

20 km

Fischmarkt in Bergen

 Fortsetzung

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