Reisetagebuch Sommer 1998

Mittwoch, 8. Juli 1998

Das Wetter ist immer noch toll! Blauer Himmel und Sonnenschein!
Wir sind inzwischen aus dem Isfjorden wieder herausgefahren und entlang der Küste unterwegs nach Norden. Unser nächstes Ziel ist der Magdalenefjorden.
Hier wird mit den Rettungsbooten ausgebootet und an Land gegangen. Es ist kein Ort weit und breit. Es gibt dunkle Felsen, teilweise mit Schnee bedeckt, einen Gletscher und viel Eis und Schnee überall. Es schwimmen auch viele Eisbrocken im Wasser. Die Gegend ist wunderschön - faszinierend schön. Arktische Natur pur. Auch die Vogelwelt lernen wir kennen. Hier nisten die possierlichen Küstenseeschwalben. Da es keine Bäume gibt, nisten sie auf dem Boden. Und wehe, man kommt ihnen aus Versehen zu nahe! Um sie nicht zu stören sollte man das auf jeden Fall vermeiden. Falls man sich einem Nest dennoch versehentlich auf wenige Meter nähert fliegen sie auf, kreischen und schnattern und greifen an. Das kann Schnabelspuren auf dem Kopf einbringen, wenn man nicht aufpaßt.
(Magdalenefjord: 79° 34,366' N, 10° 44,786' E)

Magdalenefjorden
 

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Als nächstes versucht der Kapitän uns bis zum 80. Breitengrad nach Norden zu bringen. Das ist gar nicht so einfach, denn das Meer ist plötzlich mit Packeis bedeckt. Es geht nicht mehr weiter. Etwas über 1000 km Eis bis zum Nordpol! Mein Satellitennavigantionsgerät "Garmin GPS12" verrät mir, daß der nördlichste Punkt unserer Reise 79° 53' N und 10° 20' E ist. Also fast geschafft. Aber was macht das schon noch aus? Der Anblick des Eises entschädigt uns für die fehlenden 7 Minuten. Nun sind wir über 900 km nördlich des Nordkaps und 3313 km nördlich Frankfurt.

79° 53' N, 10° 20' E  -  Eis bis zum Nordpol!

Dann geht es zurück und hinein in den Smeerenburgfjord. Ein Waalroß liegt faul auf einer Eisscholle und wälzt sich in der Sonne. Im Fjord stellt der Kapitän das Schiff ab. Es wird ganz ruhig um uns herum. Wir stehen auf Deck und suchen die Gegend ab. Kein Eisbär weit und breit. Mit dem Fernglas entdecke ich, trotz intensiver Suche, nicht die geringste Spur einer menschlichen Aktivität. Nichts! Es gibt Felsen, Eis, Schnee. Man fühlt sich wie auf einem anderen Planeten, auf dem es viel Wasser in jeder Form gibt, der ansonsten aber unbewohnt ist.  Wieweit mag das nächste Schiff, die nächste Ansiedlung der nächste Mensch außerhalb dieses Schiffs von uns entfernt sein?  Es ist einfach faszinierend. Man kann sich nur schwer losreißen um zum Abendessen zu gehen.

Zum Abendessen gibt es als Vorspeise Lachspastete und dann Rentiersteaks. Mmmh!

Smeerenburgfjord

Smeerenburgfjord
 

Donnerstag, 9. Juli 1998

Der Tag beginnt früh! Wecken um 6:00 Uhr! Dafür gibt es nur einen vernünftigen Grund: Ny Ålesund um 8:00 Uhr, vorher frühstücken.

In Ny Ålesund (78° 55' N, 11° 56' E) werden wir vom "Ny Ålesund Slag og Blæs-Ensemble", der nördlichsten Kapelle der Welt, empfangen. Die Kapelle besteht aus ca. 10 Studenten oder Mitarbeitern der hier ansässigen wissenschaftlichen Instituten. Es ist eine Riensengaudi. So wird übrigens nur die Nordstjernen hier empfangen. Ny Ålesund ist die nördlichste Ansiedlung der Welt. Das bedeutet, es gibt hier das nördlichste Postamt der Welt, das nördlichste Museum der Welt, das nördlichste Café mit den nördlichsten Waffeln der Welt und natürlich auch den wahrscheinlich nördlichsten Touristenladen der Welt.
Früher wurde hier Kohlebergbau betrieben, der vor einigen Jahren nach einem Grubenunglück eingestellt wurde. Im Sommer gibt es hier heute etwa 100 Einwohner, im Winter weniger. Es sind Wissenschaftler aus vielen Nationen, die hier forschen. Wir entdecken auch die Koldewey-Station, eine Außenstelle des deutschen Alfred-Wegener-Instituts.

Empfang mit dem "Ny Ålesund Slag og Blæs-Ensemble"
 

Unsere ersten Erfahrungen mit Küstenseeschwalben haben wir ja bereits hinter uns. Hier gibt es viel mehr davon. Sie nisten überall. Schon im Hafen ist ein Schild, das den Umgang damit erläutert: Man besorge sich einen Stock und halte den einfach hoch wenn sie kommen. Die Vögel attackieren immer den höchsten Punkt und so kommt man zu einer Art "Vogelableiter". An einigen Fahrrädern haben wir Stangen entdeckt, die den selben Zweck erfüllen und ihre Fahrer vor den Schwalben schützen.

Ein Rundgang durch Ny Ålesund ist sehr interessant. Es gibt hier einen Landemast zu sehen, an dem Nobile und Amundsen Luftschiffe festgemacht haben. Überall im Ort sieht es interessant aus, es gibt massenweise Antennen und Meßstationen. Auch hier sind die meisten Häuser aus Holz gebaut und farbig. Ich entdecke eine große Parabolantenne und mache einen ausgiebigen Spaziergang bis zum Flugplatz. Wieder zurück im Ort muß ich natürlich im nördlichsten Touristenladen der Welt noch Souvenirs kaufen. Hier gilt übrigens auch, wie fast überall auf Spitzbergen, daß man bevor man rein darf erst die Schuhe ausziehen muß. Es gibt keine asphaltierten Straßen, dafür etwas mehr Matsch.
 

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Nach zweieinhalb Stunden, eigentlich viel zu kurz, gehen wir wieder an Bord der Nordstjernen, verlassen Ny Ålesund und den Kongsfjord. Die Fahrt führt uns weiter nach Süden, entlang der Küste, dann wieder in den Isfjord hinein und weiter in den Grønfjord, unser nächstes Ziel ist die russische Siedlung Barentsburg.

Gleich nach dem Abendessen kommen wir gegen 18:30 Uhr in Barentsburg an. Die Siedlung liegt an einem recht steilen Hang. Man kann nun entweder ca. 200 Stufen hochsteigen oder man nimmt den Bus. Wir wählen den Bus. Ein Erlebnis! Er ist rot, vermutlich unendlich alt und sehr seltsam. Aber er bringt uns irgendwie den Berg hoch. Das russische  Barentsburg sieht anders aus als die norwegischen Siedlungen. Es gibt Häuser aus Holz und Stein. Die Häuser sind auch viel größer, aber leider meistens in einem schlechten Zustand. Da der Kohlebergbau praktisch direkt am Ort stattfindet und die Kohle auch hier verladen wird gibt es überall viel Kohlestaub.  Auch hier gibt es  ein Museum. Das müssen wir uns natürlich anschauen. Es wird Bergbau und Polarforschung aus russischer Sicht gezeigt.
Es ist interessant sich einen russischen Ort in Norwegen anzuschauen. Dann geht es die 200 Stufen runter zum Hafen zur Nordstjernen. Alternativ hätten wir auch an einem russischen Kulturprogramm teilnehmen können. Das wäre sicher auch nicht uninteressant gewesen, aber der Ort selbst hat uns dann doch mehr gereizt, wann kommt man schon mal nach Barentsburg?

Barentsburg
 

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Das nächste Ziel ist wieder Longyearbyen. Leider haben wir nur sehr wenig Zeit, aber für einen Spaziergang und noch ein paar Fotos reicht es. Gegen 23:30 Uhr gibt es dann eine Grillfete auf dem Deck der Nordstjernen. (Wer es vergessen hat: Um Mitternacht ist es hier genauso hell wie mittags...) Es gibt Steaks reichlich.
Verhungern kann man auf diesem Schiff nicht. Während des Grillens legen wir ab verlassen Longyearbyen und den Adventfjord. Durch den Isfjord geht es wieder zurück auf das offene Meer und dann nehmen wir Südkurs.

Grillfete um Mitternacht vor Longyearbyen
 

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