Reisetagebuch Sommer 2000

Mittwoch, 16. August 2000

Wieder früh aufstehen! 8:00 Uhr Frühstück, 9:00 Uhr fertig machen für die Zodiacs!

Wir ankern vor Signehamna (79° 10' N, 11° 30' E) im Lilliehöökfjorden. Wir landen mit den Zodiacs an einem steinigen Küstenstreifen. Nach einem kurzen Aufstieg von wenigen Metern befinden wir uns an einem kleinen See. Man kann hier einige  Naturphänomene sehen, die durch das periodische Auftauen und Einfrieren der oberen Bodenschichten und dem darunterliegenden  Permafrost hervorgerufen werden, wie zum Beispiel die Solifluktion die an Hängen auftritt. Dabei fließen die oberen aufgetauten Erdschichten wenige Zentimeter pro Jahr über die darunterliegenden gefrorenen Schichten. Ein anderer Effekt zeigt sich durch die polygonförmigen Steinringe, die man an manchen Stellen  am Boden sehen kann. Sie entstehen durch die Materialsortierung durch die Frostbewegung (Kryoturbation) beim Auftauen und Einfrieren.
 

Signehamna

Landung in Signehamna mit Zodiacs

Nebel zieht auf  -  und verschwindet gleich wieder
 

Wir wandern auf die andere Seite des Sees und genießen dabei die nahezu unberührte Natur. Hier gibt es keine Wege sondern nur arktische Natur pur. Unsere Tourguides kennen sich hier aber ebenfalls gut aus und zeigen uns viele interessante Stellen. Die Guides möchte ich bei dieser Gelegenheit sehr positiv erwähnen! Sie sind sehr freundlich und zeichnen sich durch große Kompetenz aus! Ein bischen Werbung für unseren Reiseveranstalter "Svalbard Polar Travel" will ich hier gerne machen. Interessant ist auch der Wald, den es hier zu sehen gibt. Wir lernen auch was man machen muß wenn man sich in Spitzbergen im Wald verirrt hat, man steht einfach wieder auf. Der "Wald" hat ca. fünf Zentimeter hohe Bäume. Ja, tatsächlich, biologisch sind es Bäume.

Auf der anderen Seite des Sees gibt es einen Aussichtsplatz von dem aus man so richtig die Gegend genießen  und eine Pause machen kann. Wir wandern weiter entlang des Sees und entdecken plötzlich eine Menge Schrott. Was ist das? Wir erfahren, daß dieser Schrott die Überreste einer 1943 niedergebrannten deutschen Wetterstation aus dem zweiten Weltkrieg ist. Da alle Dinge, die seit mindestens 1946 in  Svalbard rumliegen, Zeugnisse menschlicher Aktivitäten in der Arktis sind stehen auch diese Überreste hier unter Denkmalschutz und verbleiben an genau dieser Stelle. Angucken ist natürlich erlaubt, wenn man alles liegen lässt wie es liegt, und so bewundern wir verrostete Fässer mit der Aufschrift "Kriegsmarine", die Reste eines Generators, Scherben von Geschirr und ähnliches. Durch die niedrigen Temperaturen, die längste Zeit des Jahres ist es unter Null Grad und selbst im Hochsommer sind Werte über sechs Grad selten,  verrottet fast nichts und so bleiben solche Dinge über viele Jahrzehnte konserviert.
 

Pause

Überreste einer 1943 niedergebrannten deutschen Wetterstation
 


 


 

Wir wandern weiter um den See herum bis wir wieder an den Fjord zurückkommen und mit den Zodiacs zum Schiff zurückfahren. Dort wartet schon das Mittagessen auf uns, wir sind wieder richtig hungrig. Während wir essen fährt uns die "M/S Brand" zum nächsten Landeplatz. Aus dem Lilliehöökfjorden fahren wir zurück in den Krossfjorden und ankern am "Fjortende Julibreen"  (79° 0' N, 12° 0' E).Der Gletscher wurde nach dem französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, benannt. Wir booten wieder mit den Zodiacs aus. Wir haben inzwischen viel Übung im Anlegen der Schwimmwesten und freuen uns schon jedesmal wieder riesig auf die rasante Fahrt im Schlauchboot über das Wasser, das ca. 0° C hat und nur wegen seinem Salzgehalt nicht einfach einfriert. Zunächst wandern wir zu einem Vogelfelsen. Vor dem Vogelfelsen wachsen viele Pflanzen. Es ist richtig grün und es gibt tolle Blumen, bestimmt bis zu acht Zentimeter hoch!. Warum? Nun, es ist halt ein Vogelfelsen, da gibt es viel Dung. Das Geschrei der Vögel ist gigantisch. Aber auch andere Tiere lieben die Vogelfelsen. Polarfüchse rechnen sich gute Chancen auf Jungvögel aus, die den Flug vom Felsen zum Wasser nicht schaffen. Den Vögeln  bleibt dann nur noch rennen. Polarfüchse können auch rennen.Vor dem Felsen ist ein kleiner Felsvorsprung. Es soll interessant sein sich darunterzustellen meint einer unserer Guides. Warum wohl, was soll da schon sein? Vorsichtig probiere ich es aus: Wenn man nur einen Schritt darunter macht ist es plötzlich totenstill. Geht man wieder raus ist das ganze Vogelgeschrei wieder da. Obwohl physikalisch gut erklärbar, es macht Spaß.

Dann wandern wir noch ein Stück zum Gletscher hin. Das Wetter ist immer noch riesig! Blauer Himmel, Sonne, blaugrünes, eiskaltes Wasser, gelegentlich Nebel über dem Meer. Lufttemperatur? Ich weiss nicht so genau, vielleicht fünf Grad. Es ist Hochsommer in der Arktis! Im Meer schwimmt viel Eis, das vom Gletscher abgebrochen ist. Wenn man so darauf wartet, dann kalbt er natürlich nicht. Wir fahren wieder mit den Zodiacs zurück zum Schiff. Es gibt Abendessen.
 

Ausbooten zum 14. Julibreen


 

Vogelfelsen (Grün weil die Vögel immer gut düngen)

14. Julibreen
 

Am Abend gibt es noch eine Landung in Ny Ålesund. Leider sieht man davon nicht sehr viel. Es ist sehr neblig geworden und ich bin froh, daß ich brauchbare Fotos in den letzten Jahren gemacht habe. Aber man sollte sich wirklich nicht über das Wetter beschweren. Seit wir hier in Svalbard sind ist es einfach optimal gewesen. Wir laufen ein bischen in Ny Ålesund herum. Es ist die nördlichste, ständig bewohnte Siedlung der Welt. Demzufolge ist hier alles das nördlichste der Welt: Der nördlichste Ort, das nördlichste Cafe (war leider zu), der nördlichste Laden mit Touristenkram (war auf), das nördlichste Postamt usw. Es gibt viele Forschungsinstitute hier und man könnte sich gut vorstellen hier einmal zu arbeiten. Mir würde das auf jeden Fall Spaß machen, es ist bestimmt sehr interessant. Dann legen wir wieder ab und unser nächstes Ziel morgen Vormittag ist Longyearbyen, das Ende dieser Fahrt. Schade.
 


 

Ny Ålesund
 
 

Das nördlichste Postamt der Welt

Roald Amundsen

Koldewey-Station des Alfred-Wegener-Instituts
 

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Klaus-Dieter Friedrich , September 2000    Datenschutzerklärung